12. Jahrhundert

Die Diepoldinger

Nach Elisabeths Tod fiel die Vohburg um 1120 an das mächtige Adelsgeschlecht der Diepoldiger. Markgraf Diepold III. verwaltete bereits die Markgrafschaft von Cham samt Nabburg und Eger. Er war ein Vetter des verstorbenen Rapoto und ein Günstling Kaiser Heinrichs V., dem er seine Ernennung zum Erben von Vohburg verdankte. Diepold III. entwickelte in seiner neuen Herrschaft an der Donau eine zielstrebige Territorialpolitik, die hauptsächlich gegen die in der unmittelbaren Nachbarschaft aufsteigenden Wittelsbacher gerichtet war. Er holte Ministerialen, unfreie Dienstmannen, aus den Marken Cham und Nabburg und aus schwäbischen Besitzungen nach Vohburg und ließ sie in begüterte Familien des Umlandes einheiraten. Auf diese Weise gelang es dem Markgrafen, eine ganze Reihe von Herrensitzen an sich zu binden und einen Ring von Ministerialensitzen um Vohburg aufzubauen. Der namengebende Herrschaftssitz Vohburg nahm im Selbstver- ständnis der Diepoldinger eine zentrale Rolle ein und wurde unter Diepold III. und seinen Söhnen mit großangelegten Bauten völlig neu gestaltet.


Die Burganlage

Die zentrale Turmburg der Diepoldinger war von Stein- und Holzbauten umgeben, die im Westen und Osten durch Ausgrabungen nachgewiesen sind. Im Südosten des Jurahügels lag das sakrale Zentrum mit Kirche und Friedhof. Das äußere Burgareal war wohl locker bebaut und wies große Freiflächen auf. Hier befanden sich die Lager- und Wirtschaftsbereiche und handwerklichen Produktionsstätten. An Handwerken konnten Schmiede, Weberei und auch Knochenschnitzerei nachgewiesen werden, die in dieser Zeit dem Eigenbedarf der Ansiedlung dienten. Das Dienstpersonal, Kriegsknechte, Handwerker und Wächter lebten wohl in Holzbauten, die mit Fachwerk und Lehm errichtet waren. Das wichtigste Fortbewegungsmittel von Adeligen und Rittern, sowohl im zivilen als auch im Kampfeinsatz, waren Pferde. Die edlen Rösser der Burgherren waren vielleicht direkt in der inneren Turmburg untergebracht.
Wahrscheinlich wies die Burg des 12. Jahrhunderts bereits die Ausdehnung der heutigen Anlage auf und war mit einer Ringmauer mit Türmen umwehrt, deren Verlauf dem heute sichtbaren 470 Meter langen Burgmauerring entsprach. Zugang in die Burganlage des 12. Jahrhunderts gewährte ein Burgtor, das wahrscheinlich wie das heute erhaltene Burgtor im Norden des Mauerrings lag.


Fachwerkhaus

Nur wenige Meter östlich des neuen Wohnturms wurde bereits um 1120 ein bemerkenswertes Gebäude errichtet. Es war wohl ein Fachwerkhaus mit einem in den anstehenden Fels eingetieften Steinkeller, dessen Mauerwerk bei den Ausgrabungen noch bis in 1,60 m Höhe erhalten war. In der Mitte des rund 7 x 4,50 m großen Kellerraumes befand sich eine große rechteckige Setzung hochkant gestellter Kalksteine. Offensichtlich handelte es sich hierbei um den Unterbau für ein Podest, das zur Lagerung von sperrigem Gut - etwa Bierfässern - konzipiert war. Der außenliegende Kellerabgang bestand aus einer Treppe und einer Rampe, die wohl als Lastenrutsche diente. Zusammen mit dem Podest weisen sie den Keller als Lagerraum aus. Dazu passen auch mehrere aus der Kellerverfüllung geborgene Keramikfragmente, die zu großen Vorratsgefäßen gehörten. Wohl Mitte des 12. Jahrhunderts wurde das Fachwerkhaus abgebrochen und der Steinkeller verfüllt.
 

Wohnturm

In der neuen Burganlage wurde das alte Herrschaftszentrum des 11. Jahrhunderts aus Kirche und Wohnturm mit dem Abbruch des alten Wohnturmes aufgelöst. Diepold III. ließ einen neuen, monumentalen Wohnturm im Zentrum des Burgberges errichten, auf dem Platz der vorhergehenden Holzburg, also etwa an der Stelle der heutigen Wegkapelle. Dieses mehrstöckige, zinnenbewehrte Bauwerk diente der Markgrafenfamilie als herrschaftlicher Wohnsitz und als weithin sichtbares Symbol ihrer Macht. Das etwa 19 x 15 m große rechteckige Gebäude bestand aus zwei Meter starken Mauern. Eine hölzerne Außentreppe führte wohl zum Hocheingang im Obergeschoss. Unter den Söhnen Diepolds wurde Mitte des 12. Jahrhunderts eine ca. 1,20 Meter breite Ringmauer errichtet, die den zentralen Wohnturm rechtwinklig in engem Abstand umschloss. Das innere Areal dieser Turmburg umfasste eine Fläche von ca. 810 qm. Der Innenhof zwischen Wohnturm und Umfassungsmauer war im Nordwesten mit einem Gebäude besetzt, das offensichtlich als Scheune diente. Auf diese Nutzung wies eine bis zu 30 cm starke Schicht von verkohlten Roggenkörnern, die hier im Boden gefunden wurde.

Steinhaus

Südöstlich des neuen Wohnturms befand sich ein weiteres Steinhaus mit kleinerem Nebengebäude, das ebenfalls in der Zeit Diepolds III. erbaut wurde. Das etwa 10 x 6 m große Gebäude war im Inneren durch hölzerne Pfosten und Zwischenwände in mehrere Räume unterteilt. In der Nordostecke des Hauses befand sich die Küche. Der Boden bestand im nördlichen Teil aus gestampftem Lehm, im südlichen wohl aus Holzdielen. An der nördlichen Außenseite des Gebäudes stand ein gemauerter Wasser- oder Futtertrog. Diese Pferdetränke weist auf berittene Hausbewohner, die sicher zur Burgbesatzung gehörten. So belegen schriftliche Quellen für das 12. Jahrhundert eine große Zahl an Burgmannen auf der Vohburg. Hochrangige Funde, die im Haus und dessen Umfeld geborgen wurden, weisen ebenfalls auf den gehobenen Stand seiner einstigen Bewohner. Östlich des Steinhauses befand sich in einem unbebauten, mit kleinen Kalksteinen gepflasterten Bereich ein Backofen und ein kleiner Erdkeller.
 

Schmiede

Der Hufschmied der Burg arbeitete in einem teilweise gemauerten Holzbau mit gestampftem Lehmboden, der sich direkt an die östliche Außenseite dieser Umfassungsmauer lehnte. Im gemauerten Nordwesteck des Gebäudes befand sich eine große Feuerstelle. Um die Schmiede fanden sich eine große Anzahl von Nägeln und Reste von Schlacke, die sich als Bodensatz in einer Schmiedeesse bildet. Wie die vielen Hufeisenfunde im Umkreis zeigen, machte die große Anzahl von Burgmannen in dieser Zeit offensichtlich die Errichtung einer Hufschmiede in unmittelbarer Nähe der Turmburg notwendig.


Romanische Kirche

Nach der Übernahme der Vohburg ließ Diepold III. einen nördlichen Kapellenanbau an die steinerne Saalkirche errichten.
Der Kapellenanbau endete im Osten in einer Apsis, die innen aus sorgfältig gesetzten Handquadern bestand und außen rechteckig ummantelt war. Vor der Apsis war ein Grab angelegt, das wahrscheinlich mit einer Platte abgedeckt war. Es nahm die Überreste von 20 Verstorbenen auf, die hier wiederbestattet wurden. Dieses von Mauern eingefasste Grab lag direkt auf dem älteren Adelsgrab, das um 1035 in den Boden kam. Die Bedeutung der Adelsgrablege war also noch bekannt. Mit dem Bau dieser Totengedächtniskapelle über dem Grab des letzten Vohburger Grafen des 11. Jahrhunderts bezog sich Diepold direkt auf seine Vorgänger und legitimierte damit wohl seinen Anspruch auf die ihm von Kaiser Heinrich V. überantwortete Burg.
Die romanische Saalkirche mit Kapellenanbau wurde wahrscheinlich noch unter den Nachfolgern Diepolds Ende des 12. Jahrhunderts zur dreischiffigen Basilika ausgebaut. Die Größe der ca. 15 Meter breiten und ca. 19 Meter langen Kirche weist darauf hin, dass sie nicht nur als Burgkapelle sondern auch als Pfarrkirche des Ortes genutzt wurde. Durch Anfügen eines südlichen Seitenschiffes und Öffnung der Nordwand zur Totengedächtniskapelle entstanden zwei Seitenschiffe, die sich mit auf Pfeilern ruhenden Bogenstellungen zum erhöhten Mittelschiff mit halbrunder Apsis öffneten. Zu dieser Kirche gehörte auch der bereits bestehende, westlich anschließende Turm, dessen Untergeschosse noch im Turm der heutigen Peterskirche stecken. Leider konnten bei den Ausgrabungen keine Reste der ursprünglichen Innenausstattung der Kirche entdeckt werden. Doch ist davon auszugehen, dass der durch kleine Rundbogenfenster belichtete Kirchenraum ursprünglich mit reichen Wandmalereien ausgestattet war.
Das einzige überkommene Ausstattungsstück der romanischen Kirche ist der spätromanische Taufstein mit Lilienornamentik, der sich heute in der Kriegerkapelle neben der Pfarrkirche befindet.
 

Grubenhaus

Nordwestlich der Turmburg befand sich ein etwa fünf Meter langes Holzhaus mit lehmverstrichenen Flechtwerkwänden, das etwa einen Meter in die Erde eingetieft war. In der Nähe dieses Grubenhauses wurden etwa 20 fragmentierte tönerne Webgewichte geborgen. Sie deuten darauf, dass das eingetiefte Holzhaus als Webhaus diente. Grubenhäuser wurden häufig als Webhäuser benutzt, da sich Wolle und vor allem das steife Leinen am besten in der erdfeuchten Atmosphäre eines eingetieften Gebäudes verarbeiten ließen. Das Garn wurde an stehenden Gewichtswebstühle verarbeitet, bei denen die senkrecht hängenden Kettfäden unten durch große Webgewichte straff gespannt waren.


Die Staufer

Wohl noch zu Lebzeiten Diepolds III., der am 8. April 1146 in hohem Alter starb, fand die Vermählung seiner ältesten Tochter Adala von Vohburg mit Herzog Friedrich von Schwaben statt. Nach der Krönung des Staufers im Jahr 1152 wurde die Tochter Diepolds III. zur Gemahlin des deutschen Königs Barbarossa, was einen kaum zu überschätzenden Prestigegewinn für ihre gesamte Familie zur Folge hatte.
Dann kam das für die Diepoldinger verhängnisvolle Jahr 1153. Friedrich Barbarossa ließ sich von seiner Gemahlin Adala von Vohburg scheiden und verheiratete sie mit einem seiner Ministerialen, eine doppelte Schmach für die Vohburger Markgrafen. Damit kühlte das Verhältnis zwischen den Staufern und Diepoldingern merklich ab.
Nach dem Tod Diepolds III. war den Markgrafen bereits das Egerland durch König Konrad III. entzogen worden, was einen herben Einschnitt in ihr Machtgefüge bedeutete. Schließlich verloren die Diepoldinger nicht nur die marchia Cham, sondern auch die Herrschaft Vohburg.
Nach dem Tod des kinderlosen Vohburger Markgrafen Berthold III. im Jahr 1204 zog Kaiser Friedrich Barbarossa die Mark Cham als Reichslehen ein und übergab sie an dessen Schwager, den Wittelsbacher, Herzog Ludwig I. von Bayern. Vohburg war zwar Eigengut der Diepoldinger, doch besetzten die herzoglichen Ministerialen auch diese Burg samt Umland. Kampfhandlungen sind dabei nicht überliefert. Vermutlich war der Herrschaftswechsel bereits vor der Eheschließung Bertholds III. mit Elisabeth von Wittelbach für den Fall einer kinderlosen Ehe verhandelt worden. Eine größere Zahl an Schenkungen aus der Mark Cham, die Berthold III. in sein Hauskloster Reichenbach einbrachte, könnte darauf weisen, dass Berthold III. nicht gewillt war, seinem Schwager ein möglichst reiches Erbe zukommen zu lassen. Dieses Prinzip der „entleerten Erbschaft“ hat Berthold vermutlich auch für Vohburg angewendet.
 

Zerstörung der Burg

Die archäologischen Funde aus jener Zeit könnten darauf weisen, dass wertvollere Hinterlassenschaften bewusst ausgeräumt wurden. Massive Zerstörungsspuren in den Grabungsflächen lassen den Schluss zu, dass große Teile der Burg um 1200 durch einen Brand zerstört wurden. Vorstellbar ist, dass die Burg nach dem Tod Bertholds, wohl auf dessen Anordnung, bewusst niedergebrannt wurde. Die unwillkommenen Erben sollten wohl nur eine ausgebrannte Ruine vorfinden.